Dienstag, 29. Dezember 2009

Likai Zhongguo..


29.12., 19:00

Ich sitze gerade im Zug nach Shanghai, von wo es morgen dann nach Deutschland geht. Der Abschied von der Anhui University war noch nett – wir hatten heute die Neujahrsfeier mit jeder Menge Aufführungen. Meine Klasse hat sich um ein Theaterstück bemüht, „Aschenputtel und die drei Zwerge im Wald“, was ich verfasst, also von den Brüdern Grimm kopiert und in Chinesisch umgeschrieben habe. Versteht sich also von selber, dass das ganz fantastisch war! Die drei weiblichen Hauptrollen (Aschenputtel, Stiefmutter, Stiefschwester) konnten zwar nur zu 1/3 weiblich besetzt werden, wodurch die holde Weiblichkeit von Aschenputtel (von unserer zierlichen Indonesierin Daisha besetzt) gegenüber der verhärmten Verwandschaft (Koreaner Jin Minho als Stiefschwester, Amerikaner Jesse als Stiefmutter) aber noch unterstrichen wurde. Ich hatte die Ehre, den Zwerg „Zhang San“ (Zhang Nummer 3) zu spielen.. Tja, und das war dann ein netter Abschied. Die anderen Klassen haben vor allem gesungen, z.B. gab es „Yueliang daibiao wo de xin“ (Der Mond repräsentiert mein Herz) von einer Vietnamesin und einem Kameruner zu hören. Reichlich bescheuert war dagegen der Auftritt von unseren Lehrern, die eine vulgärpatriotische Nummer abgezogen, ein Lied mit der Hookline „Ich liebe meine Familie, ich liebe mein Land, ich liebe meine Nation“ gesungen und am Ende Flaggen der VR geschwenkt haben.

Ich hatte vor zwei Wochen noch einen kleinen Ausflug nach Hangzhou gemacht und mich mit Jonas, den ich auf dem Stipendiatentreffen in Beijing kennengelernt habe, getroffen. Die Stadt hat eins dieser kongenialen Fahrradleihsysteme (wie es sie auch in z.B. Barcelona geben soll), wo man an Fahrradständen, die über die ganze Stadt verteilt und an jeder Ecke zu finden sind, mit einer ID-karte ein Fahrrad ausleihen kann und es dann später woanders wieder abgeben kann. Und das ganze ziemlich günstig, wir hatten drei Tage lang jeden Tag circa fünf Stunden Fahrräder ausgeliehen und am Ende nur 1,60€ bezahlt! Speziell für China eine super Idee, um dem unglaublichen Verkehr entgegen zu wirken. Und ich habe mal wieder gemerkt, wie spaßig Radeln in China ist, aber auch etwas gefährlich (weil man versucht ist, sich dem Verkehrsverhalten der Chinesen anzupassen, also ohne Rücksicht quer durchs Beet zu dreschen).. ich hatte nur damals in Chengdu ein Rad, in Hefei hab ich kein passendes gefunden. Das ist natürlich nicht das einzig gute an Hangzhou. Das Zentrum der Stadt liegt direkt am Westsee, der einigermaßen groß ist und rundum von – surprise! - grün umgeben ist. Weil das in chinesischen Städten eine gewisse Rarität darstellt, ist Hangzhou ein beliebtes Reiseziel und auch im Winter voll von Touristen – man kann aber vom See aus in Richtung südwesten radeln, wo es jede Menge Berge mit malerischen Wäldern und buddhistischen Tempeln zu sehen gibt. Der Stadtteil im Osten vom See ist ziemlich schickimicki und teuer, mit Designermode-Boutiquen und teuren Cafés. Anders als in Hefei haben wir auch gute Ausgehmöglichkeiten gefunden, z.B. ein Jazzcafé und eine Reggaebar. Und am Sonntag hätte es ein Punkkonzert geben sollen, was aber merkwürdigerweise schon um 15:00 anfing und, als wir ankamen, lange zu Ende war.

Zuletzt noch eine Warnung: Auch wenn ihr Nerven wie Drahtseile habt, nehmt euch in Acht vor der schrecklichen Geisterbahn im Vergnügungspark von Hefei! Für 10 Yuan erlebt man unvergessbares Grauen. Der Autor dieser Zeilen wurde von saditsischen Chinesen dort hingeschleppt, seitdem haben ihn die dämonischen Bilder nicht verlassen. Zurück in der alten Heimat muss ich wohl in eine Heilanstalt einweisen lassen. Soweit ich weiß hat Malte eine gute in petto?

Dienstag, 15. Dezember 2009

Hall of Meat #3

In chinesischen upscale-Restaurants ist es öfters Sitte, dass die Zutaten der jeweiligen Gerichte unter Plastikfolie ausgestellt werden, damit man eine Ahnung hat, was denn am Ende auf dem Teller landet (die Gerichtnamen geben nicht immer Aufschluss - "Grüner Drache springt über den Fluss", anyone?). Das sind dann z.B. in Streifen geschnittene Auberginen, Muerr-Pilze, quadratisch geteiltes Tofu oder ..

Dienstag, 8. Dezember 2009

Nanjing!

Am Samstag habe ich mit meinen beiden Cazzone Julia und Feide einen kleinen Ausflug nach Nanjing ("südliche Hauptstadt") unternommen. Glücklichweise gibt es aus Hefei einen Schnellzug, mit dem man innerhalb einer Stunde ankommt - dabei gibt es dann direkt bei Nanjing noch die Überquerung des Jiangtse (eigentlich: Changjiang) zu bewundern, wovon ich leider kein gutes Foto schiessen konnte. Man merkt direkt, dass man in einer anderen Stadt und in einer anderen Provinz ist, auch wenn Nanjing vielleicht nicht eine superentwickelte Metropole ist. Immerhin, es gibt einiges mehr zu sehen als in der Heimat, z.B. ein Starbucks, das Mausoleum des Revolutionsführers Sun Yatsen, eine Stadtmauer, Paläste und Tempel. Wir waren nur für einen Tag da und haben uns deshalb natürlich etwas kurz gefasst.. Nanjing war, soweit ich weiss, zweimal die Hauptstadt Chinas: Zu Beginn der Mingdynastie, nachdem die Mongolen aus China vertrieben wurden (dem Sohn des ersten Mingkaisers gefiel Nanjing aber nicht, weshalb er die Hauptstadt wieder nach Beijing verlegt hat); und während der chinesischen Republik ab 1911. Das ist auch ein Grund dafür, dass die Japaner bei der Eroberung Chinas ziemlich scharf darauf waren, Nanjing einzunehmen und sich Untertan zu machen; und dabei wiederum gingen sie nicht grad mit Fingerspitzengefühl vor, sondern haben die Zivilbevölkerung reichlich grausam massakriert.
Ein Museum in Nanjing dokumentiert das Geschehen mit Fotos, Texten und Videos und verlangt einem dabei einen guten Magen ab. Bei dem ganzen ist natürlich etwas Vorsicht angebracht: Ein dämonisierter Feind (hier: Japaner) haben noch keiner Regierung geschadet. Ist es richtig, ein schlimmes Verbrechen anzuklagen? Natürlich! Aber die Darstellung ruft doch einen ziemlich starken die-gegen-uns Effekt hervor - so wird in jeder Bildunterschrift wiederholt: Das Massaker duch japanische Invasoren. Das ist auch sicher nicht Zufall - ein Text am Museumsausgang zitiert den chinesischen Ex-Präsidenten Jiang Zemin:
"This is a good place to carry out patriotic education. We must never forget the patriotic education of the young, and this tragic history must also never be forgotten."
Aber vielleicht seh ich das auch einfach etwas zu stark durch die Brille eines Deutschen, der es gewohnt ist, seine eigene Geschichte zu kritisieren - während das moderne Deutschland seine Legitimation teils durch die Kritik von Nazideutschland erhält, liegen zumindest die Wurzeln der Legitimation der VRCh im Kampf gegen die Japaner.
Der Besuch war natürlich ziemlich bedrückend - die Japaner haben Nanjing erobert und danach innerhalb von sechs Wochen 300.000 Chinesen ermordet, inklusive Folter und Vergewaltigung. Für die Japaner waren die Chinesen damals nicht viel mehr als Tiere, und die Generäle wollten systematisch den Widerstandswillen in der Bevölkerung brechen. Die Hälfte der Toten stammt aus Erschießungskommandos, in andere Hälfte wurde spontan ermordet.. Wir mussten uns danach etwas Erholung mit einem kleinen Spaziergang entlang der Stadtmauer und des südlichen Kanals um die Stadtmauer (Foto siehe oben) gönnen. Irgendwann haben wir uns auf dem Weg zum Purpurberg im Osten der Stadt verlaufen und konnten nur noch einen Bus zum Mausoleum von Sun Yat-sen nehmen; der Eintritt war dann aber so unverschämt hoch (140 Yuan), dass wir statt dessen eine kleine Tour mit dem öffentlichen Nahverkehr um den Purpurberg gemacht haben. Immerhin, entgegen Julias und meinen Befürchtungen ist uns Feide während des Trips nicht abhanden gekommen (er ist etwas .. unorganisiert). Am Ende hatten wir nicht mehr viel Zeit hatten und konnten nur noch schnell in den Foreign Languages Bookstore (gibts in Hefei nicht) und was Essen. Ah, und ein Bier für die Rückfahrt kaufen.

Hall of Meat #2

Auf besonderen Wunsch von Steffi hier noch mal ein Motiv aus der beliebten "Hall of Meat"-Reihe!

Freitag, 27. November 2009

Hall of Meat #1

Ein klarer Vorteil von China ist, dass (Ironie an) die Lebensmittelindustrie nicht so intransparent ist ist wie in Deutschland - hier weiss man noch, wo seine Nahrung herkommt (vom Markt natürlich)! Das trifft besonders auf Fleisch zu - in Deutschland: In Plastik eingewickelte Paketchen, die in Tiefkühltruhen vor sich her schlummern und wer weiss wo angebaut wurden; in China bekommt mans direkt vom Erzeuger. (Ironie aus)


Was gibts sonst so neues in Hefei? Nachdem Make uns in Richtung Beijing verlassen hat, ist meine Peergroup hier empfindlich geschrumpft. Möglicherweise muss der nächste (Federico) schon im Dezember nach Italien zurück, womit sich der Anteil an Europäern (Ukrainer und Russen mal außen vor) an der Uni um ein Drittel verringern würde - wenn ich richtig zähle waren wir vorher sechs. Immerhin, das ist für mich ein Anreiz, mich mehr um meine chinesischen Bekannten zu kümmern ;-).

Donnerstag, 19. November 2009

.. in die große Welt hinein

15.11.
Brr, Beijing ist im Vergleich zu Hefei doch etwas kälter. Nachdem ich drei Stunden durch die Stadt gewandert bin, bin ich kaum in der Lage, meine Hände zu bewegen. Ich musste im Bookworm - einem kleinen Café im Chaoyangbezirk von Beijing - Zuflucht suchen.
Das Stipendiatentreffen war überraschend gut! Neben der Angenehmheit, nach fast drei Monaten in Asien ein westliches Frühstücksbuffet und ein gewärmtes Zimmer zu bekommen, hat auch das Programm Spaß gemacht. U.a. gab es einen Empfang in der deutschen Botschaft (Freibier inklusive, was die meisten von uns Studenten voll ausgeschöpft haben), einen Vortrag vom Zeit-Korrespondenten in Beijing Frank Sierer (etwas populistisch) und eine Stadtrundfahrt mit einem italienischen Architekten (der jede Menge Fachwissen über Stadtplanung sowie trockenen Humor dabei hatte). Ein paar andere Sachen waren keine unbedingten Highlights (Vortrag über Arbeitschancen in China etc.). Insgesamt war nur ein Tag mit Programm gefüllt.. Die anderen Studenten hab ich hier zum ersten mal getroffen, es gibt momentan weder aus Duisburg noch in Hefei DAAD-Stipendiaten! "Merkwürdigerweise" waren die meisten in Shanghai stationiert und studierten BWL auf englisch. Aber man kann ja trotzdem ein guter Mensch sein ;-).
Am meisten hab ich mich vorher darauf gefreut, zu sehen ob sich Beijing verändert hat. Hier spriessen grade ein paar neue Wolkenkratzer aus dem Boden, am Tiananmen-Platz stehen bescheuerte Stelen, die Chinas 56 (richtig gezählt?) ethnische Minderheiten symbolisieren sollen, und die vorher symphatischere Dazhalan-Xijie-Straße, wo ich mir ein Hostel gesucht habe, wurde aufgepimpt und sieht jetzt etwas steril aus, etwa so wie die CentrO.-Promenade. Mein Lieblingsessen vom letzten mal, uighurisches gegrilltes Brot ("Kaonang") gabs immer noch, auch wenn der Grillmeister nicht mehr der selbe war. Und auch "mein" altes Haus stand noch - ich war mir aber nicht sicher, welche Nummer unsere Wohnung hatte und hab deshalb nicht geklingelt - mal ganz davon abgesehen, dass meine ehemaligen Flatmates auch vermutlich umgezogen sind.. Ich habe die ganze Zeit über das Gefühl, dass die Stadt viel sauberer und aufgeräumter aussieht als vor zwei Jahren - vielleicht liegt das daran, dass vor Olympia so viel fertiggebaut wurde und die Stadt dann nochmal für den 60. Geburtstag der Volksrepublik herausgeputzt wurde?

Vor zwei Wochen gab es übrigens einen plötzlichen und starken Schneefall in Beijing, nach dem mir von allen Seiten das Gerücht zugetragen wurde, die Wetterbeeinflussungsbehörde habe eigentlich Regen machen wollen und sich verkalkuliert.. Für den Besuch von Obama in Beijing heute abend ist jedenfalls für einen blauen Himmel gesorgt, wobei das in Beijing im Winter eigentlich Normalzustand ist.
Als ich das letzte mal hier war, wurde z.B. am CCTV-Gebäude noch gewerkelt - das ist inzwischen längst fertig, leider ist das zum Komplex gehörende TVCC (das kleinere dahinter) beim letzten chinesischen Neujahr abgebrannt, irgendjemand hatte die Sache mit dem Feuerwerk übertrieben.. ;-) Ziemlich beeindruckend ist auch das Olympiagelände (nicht so organisch in die Stadt eingefügt wie in München, aber kolossaler), wo wir uns gestern beim Besuch den Popo abgefroren haben.
Nach diesem Wochenende, an dem ich vom deutschen Staat nach allen Regeln der Kunst verwöhnt wurde (danke Staat!), geht morgen abend mein Nachtzug nach Xi`an, wo es bestimmt klasse wird. Auf die Terrakotta-Armee bin ich zwar gar nicht so scharf, aber ein Besuch in der Stadt ohne wär wohl beschämend. Andere Highlights sollen angeblich die Stadtmauer und das Muslimviertel (entspricht das Duisburg-Marxloh?) sein ..


18.11.
Ich bin also Montag abend nach einem leckeren Abendessen mit Jonas (einem Mit-Stipendiaten) und zwei Freunden von ihm in den Zug nach Xi`an gestiegen, nach zwei Tagen durch-die-Stadt-rennen ziemlich müde und nur darauf aus, zu schlafen - aber natürlich wurde daraus nicht viel: Ein älterer Chinese, der das Bett über mir hatte, rezitierte mit voller Stimme irgendeinen Quatsch, der sich für mich wie eine Comedy-Vorstellung angehört hat. Vielleicht auf dem Weg zu einem Talentwettbewerb in Xi´an? Leider hat niemand den guten darauf aufmerksam gemacht, dass das ziemlich nervte, und ich wollte auch nicht den unfreundlichen Ausländer geben. Ich habe mir dann stattdessen ein Terry Pratchett-Hörbuch angehört. Auch als er endlich fertig war, war das Einschlafen nicht viel einfacher, da der Kerl wie eine Seekuh zu schnarchen angefangen hat. Ai ya!


Das besondere an Xi´an ist, dass die ganze Stadt von einer riesigen Stadtmauer umgeben ist, auf der man wandern, radfahren u.a. kann. Beijing hatte sowas auch mal, bis die Mauern abgerissen und durch die zweite Ringstraße ersetzt wurde, sodass nur noch einige kümmerliche Überreste im Südosten zu sehen sind. Nachdem ich in einem netten Hostel am Südtor meinen Reiserucksack abgeladen habe, habe ich den Bus zu Xi´ans Nummer-1-Attraktion, der Terrakotta-Armee, genommen.

Die Armee wurde für den ersten Kaiser Chinas (ca. 221 v.Chr.) gebaut - warum genau, ist nicht bekannt; es wurde damals auch nirgendwo vermerkt, dass überhaupt eine Tonarmee gebaut wurde. Erst 1974 waren Teile der Armee von Bauern, die einen Brunnen graben wollten, gefunden worden - vermutlich wurden die danach schnell verscheucht, damit der Rest fachgerecht ausgehoben werden konnte. Die Armee ist nicht direkt am Grab des ersten Kaisers, sondern leicht abgelegen und darum verstreut - eine einfache Grabbeilage war es also genausowenig wie ein Schutz vor Plünderern. Vermutlich wollte der leicht durchgedrehte chinesische Kaiser, der unter Verfolgungswahn litt, mit allen möglichen als lebensverlängernd angesehenen Substanzen (u.a. Quecksilber) experimentiert hatte, den Bau einer ersten großen Mauer anordnete sowie den Besitz von Büchern unter Strafe stellte und einmal mehrere tausend Gelehrte lebendig begraben liess (laut den konfuzianischen Schreibern, die eventuell leicht voreingenommen waren), eine schlagkräftige Armee im Nachleben haben.

Die Ausstellung - in drei Hallen, wo jeweils andere Ausgrabungsstätten präsentiert werden - war nicht übel, ich hätte mir aber mehr Erläuterungen und Hintergrundinfos gewünscht, vielleicht auch Vergleiche zu ähnlichen Monumenten in anderen antiken Kulturen und was es nicht alles gibt. So hatte alles leicht den Charakter von "einmal gesehen, und ab zurück in den Bus". Ich hätte natürlich für mich allein einen Reiseführer anheuern können.. Ziemlich beeindruckend war, wie unterschiedlich und vielfältig die einzelnen Figuren sind, an denen man unterschiedliche Waffen, Kleidung, Mützen, Gesichtszüge und Schnurrbärte sieht (fast jeder Krieger hatte einen fabelhaften Schnurrbart, was angesichts den zurückhaltenden Bartwuchses der meisten Chinesen etwas verwunderlich ist)! Ausserdem wurden nicht nur Soldaten, sondern auch Tänzer, Tiere und deren Dompteure gefertigt und begraben. Dazu kommen dann noch einige Bronzekutschen, deren Einzelteile, Pferde und Lenker in mehr als 3.000 Teilen einzeln gegossen wurden. Viel Lärm um einen Kaiser also..

Weil mir Xi´an gut gefallen hat habe ich mich entschlosse, nicht mit Zwischenstopps in Luoyang und Kaifeng zurückzufahren, sondern länger zu bleiben und dann mal wieder einen direkten Nachtzug zu nehmen. Ziemlich viel an der Stadt hebt sich nicht von anderen Städten, z.B. auch Hefei ab. Ich find es schwer auf Anhieb zu beschreiben, aber die Straßen sehen auch hier typisch chinesisch aus, ziemlich grade, viele Autos, etwas auswechselbare Straßenzüge und Läden, die sich jeweils nicht von anderen in der Umgebung abheben, riesige Neubauprojekte, bei denen einiges gut, anderes abartig aussieht und so weiter. Das hört sich etwas hart an, aber die meisten chinesischen Städte sind an sich nunmal meistens nicht besonders schön, gefällig oder was auch immer ;-).



Das Muslimviertel der Stadt ist dagegen wirklich nett - wenn man das wirtschaftsgeographisch erklären will scheint das der Stadtteil zu sein, der für Bürger und Touristen von Xi´an einen Bedeutungsüberschuss an Snacks hat (ein Hektagramm konnte ich aber nicht finden ;P); jedes zweite Haus ist eine Snackbude mit "typischen Muslimgerichten". Gewusel auf den Straßen, die lustigen Leute mit Käppchen und Kopftüchern, den Stände mit Feigen, Datteln und anderem Trockenobst und Straßenmetzgereien, vor denen riesige Fleischstücke und Tiere rumbaumeln.. Und anders als in Restchina gibt es hier Brot, also wenn man die Milchbrötchen, die man an jeder Trinkhalle in China bekommt, mal aussen vor lässt.

Mitten im Moslemviertel findet man die "Große Moschee", die mit leicht chinesischem Touch gebaut wurde. Man erkennt erst auf den zweiten Blick, dass das überhaupt eine Moschee ist und nicht ein buddhistsicher Tempel: Das Gelände geht nicht von Süd nach Nord wie chinesische Tempel, sondern von Ost nach West (Mekka..). Wie in chinesischen Tempeln gibt es eine "Geisterwand", die beschränkte Geister, die nach chinesischem Glauben nicht um Ecken gehen, davon abhält in den Tempel zu kommen. Und das Minarett, naja, man hätte es auch für eine Pagoda halten können.
Hie und da sieht man aber doch arabische Kalligraphien, einen Koran, das große Gebetshaus am Kopf des Geländes, und es ist - grade auch mit dem Schnee, der hier auf den Häuserdächern liegt - klar eine der schönen Tempelanlagen. Das befindet auch das offizielle Guidebook zur Moschee, das etwa den "Ein-Gott-Pavillion" wie folgt beschreibt: "The whole architecture seems to be a beautiful Phoenix which is opening its wings and is about to fly."

Donnerstag, 5. November 2009

Nachrichten aus Mittelerde

Das Semester an der Anhui Univesity ist zur Hälfte - und viel zu schnell - schon um, und damit ist auch im Unterricht ziemliche Routine eingekehrt. Jeden Tag von 8 bis 12, man weiss genau wann die Pausen dazwischen sind und freut sich auf einen heissen Nescafé (inzwischen wird es auch in Hefei etwas kälter. Besser: War es auch in Hefei etwas kälter geworden, nämlich am Montag und Dienstag, inzwischen sind wir wieder bei Tagestemperaturen von mehr als 20°. Eine ältere Dame hat mir erklärt, das Wetter sei kurzfristig so kalt gewesen, weil eine legendäre Hexe einen kalten Wind aus Sibirien herüber pustet).

Der Unterricht ist meistens - mit wenigen Ausnahmen - ok, aber leider nicht grandios, weshalb ich auch auf die Option, hier ein zweites Semester zu bleiben, verzichten werde. Eigentlich die beste Lehrerin ("Lehrerin Li") haben wir im Schreibunterricht, aber die gute Dame hat so eine schrille, laute Stimme und spricht einen bösen Anhui-Dialekt, sodass ich froh bin, sie nur einmal in der Woche ertragen zu müssen. Immerhin lässt sie uns eine Menge reden, das vergessen die anderen Lehrer ab und an. Ausserdem etwas merkwürdig ist, dass sie uns immer Aufsätze schreiben lässt und die dann, statt sie selber zu korrigieren, von ihren chinesischen Studenten ausbessern lässt. Die Studenten sollen dann jeweils mit uns per Telefon Kontakt aufnehmen, uns treffen und die fertigkorrigierten Aufsätze übergeben.. Das hat den Hintergrund, dass Lehrerin Lis chinesische Studenten "Chinesisch für Ausländer" lernen und somit später glücklichen Langnasen die chinesische Sprache beibringen werden - die sollen also jetzt schon Erfahrungen mit "Waibin" (外宾, auslöndischen Gästen) machen.

Damit bin ich nun nicht so besonders glücklich, weil das bedeutet, jede Woche eine neue Minibande von chinesischen Studenten (einer kommt selten alleine) dazuhaben, mit denen Smalltalk machen zu müssen etc. Jeder der mal in China war weiss nämlich, dass das nicht unbedingt einfach ist - ok, ich kann mich ohne Probleme eine Stunde auf Chinesisch unterhalten, aber die chinesischen Studenten sind so darauf programmiert, Auslönder erstmal nicht als Kommilitonen, sondern eben als "Ausländische Gäste" wahrzunehmen, dass das Gespräch immer um "Wie lange bist du in China? Wie lange wirst du in China bleiben? Magst du das chinesische Essen?" oder so kreist. Der erste Kontakt ist deshalb meist etwas anstrengend, weil man die selben Sätze, die man shcon tausendmal gesagt hat, andauernd wieder anbringen muss.

Ich freue mich grade übrigens ausserordentlich darüber, dass der DAAD mich zu einem Stipendiatentreffen in Beijing in eineinhalb Wochen eingeladen hat, Fahrtkosten und Übernachtung inklusive. Das bedeutet dann erstmal in beijing rumhängen, ein paar altbekannte Sehenswürdigkeiten und Bars (D22! Little Jiuba!) besuchen, schauen ob meine ehemaligen Mitbewohnerinnen noch in dem selben, heruntergekommenen Haus am Xidan (西单,"westliche Kommune") wohnen - und danach kann ich dann die Gelegenheit am Schopf ergreifen und einen Zug nach sonstwohin nehmen, Xi`an oder Chengdu etc.
[Das Foto, das ich hier eher willkürlich an der rechten Seite angebracht habe, habe ich an einem der Seen, die das Stadtzentrum (wohl den historischen Kern, obwohl man das wegen der kommunistischen Raumerschließung nicht mehr ganz nachvollziehen kann) umschließen, gemacht. Das ist einer der schönsten Plätze in Hefei - die Brücke führt zu einer kleinen Insel, auf der einige kleine Höfe und ein Teehaus im Huizhou-Stil sind.]

Mittwoch, 21. Oktober 2009

Gelber Berg

Am vergangenen Wochenende haben wir einen kleinen Ausflug zum Huangshan-Berg (aufmerksame Sinologen entdecken die Dopplung) unternommen, wovon ich nun berichten will. Zur Einführung ist deshalb das Zitat eines Schilds am Eingang des Bergs angemessen, auch für Moritz, dem gegenüber ich vorher geprotzt hatte, es würde sich um Karstgestein handeln...

„Huangshan is the Global Geopark and the mixed Cultural and Natural Heritage Park of UNESCO. It covers an area of 154km², with an elevation ranging from 500m to 1864m. Huangshan Global Geopark is characterized by Mesozoic granite peak forest landform. Huangshan Granite was formed during the Yanshanian Orogeny from the late Jurassic to the Early Cretaceous Period (about 131-123 million years ago) and was lifted during the Himalayan Orogeny. The four-phased Huangshan Granite Body (about 15km in diameter) founds a base of extremely beautiful granite peak forest, and the height difference is more than 1000m.

The peaks in the Geopark are various in shapes, such as the conic, ridge-shaped, dome-shaped, columnar, and box-shaped peaks, with numerous grotesque stones, caves, glacial landforms, hydrogeological landforms, as well as abundant plant and animal resources. All these resources constitute a large natural granite museum. The rich and colorful geological landscapes in the Geopark provide an excellent base for scientific study, enjoyment and tourism.“[sic!]


Viel interessanter war aber das eher praktische Hinweisschild, an dem wir unser grundlegendes Verhalten ausrichten konnten. V.a. Paragraph 1 und 3 haben doch einen starken Eindruck auf uns gemacht. „Uns“ oder wir waren übrigens Ich (der Beste nennt sich selbst zuerst), Ansu, Paulina und Marko.


Wie an jedem bekannten chinesischen Berg führt auch hier der Weg nach oben über Stufen, Stufen, Stufen, was Marko und ich ohne weibliche Begleitung in etwa sechs Stunden bewältigen konnten. Wir mussten schnell – schon beim Erklimmen, am Tag nachdem wir am Fuss des Bergs angekommen sind – erkennen, dass der Huangshan offenbar seinen Ruf als must-go weg hat und chinesische Touristen anzieht wie wie eine Erdbeertorte die Bienen (um eine Insektenanalogie kam ich hier leider nicht umher). Beim Aufsteig gings noch so einigermaßen, aber spätestens als wir da waren, wo auch diejenigen, die lieber mit der Gondel gefahren sind als selbst zu laufen, ankamen, mussten wir merken dass das bevölkerungsreichste Land der Welt seinen Tribut zollt. Horden über Horden von vermutlich naturgeilen Städtern mit gruppenmäßig eingefärbten Hüten und die dazugehörigen Tourguides, die sich mit Mikrofonanlagen Gehör verschaffen konnten; also eine aggressionsbeflügelnde Umgebung, die den Genuß der wunderbaren Berggipfel nicht unwesentlich erschwerte.

Man musste übrigens nicht einmal mit dem Lift fahren, um sich den Ruf eines faulen Hunds zu erwerben: Der Mann von Welt konnte sich am Fuss des Bergs für umgerechnet 10 Euro Träger ersteigern, die einen daraufhin in einem Rattansessel nach oben hieften.



Die Landschaft war aber wirklich so toll, dass ich das ganze Brimborium (ansatzweise) verstehen konnte. Der Berg hat mehrere Gipfel, zwischen denen jeweils beträchtliche Höhenunterschiede liegen – die auf und ab-Landschaft hat es echt in sich. Das war wieder einer der Orte, wo man erkennen konnte warum in chinesischer Malerei immer aberwitzige Schluchten mit vereinzelten, fast in den Abgrund fallenden Bäumen gezeigt werden. Und weils gar nicht so hoch ist (wie oben geschrieben 1860m) gab es auch ganz oben noch tolle Laubwälder, durch die jeweils Wanderwege führten.. Merkwürdigerweise waren die jeweils mit „海"(hai), Meer“, bezeichnet, z.B. westliches Meer, nördliches Meer. Dazu kam noch, dass der Herbst und die verfärbten Blätter das ganze perfekt zur Geltung brachten.


Marko wollte unbedingt den Sonnenaufgang vom Berg aus sehen, weshalb wir in einem Gästehaus oben auf dem Berg übernachtet haben. Das war ungefähr das schlimmste, was ich bisher in China hatte: Dreckige Betten, kleine, nicht isolierte Zimmer, abscheulich stinkende Toiletten. Als Fuchs, der ich bekanntlich bin, hatte ich natürlich eine Packung baldriankapseln und Ohrstöpsel dabei, was mir einen sanften Schlummer verschafft hat. Natürlich gab es beim Sonnenaufgang wiederum Massen von Touristen. Ich stand also in einer Meute von Chinesen, die ununterbrochen ihre Digitalkameras nach oben hielten um den feurigen Himmelswagen auf Zelluloid zu bannen, obwohl der Anblick gar so spektakulär nicht war. Aber egal, einmal musste man wohl dabei sein. Danach haben wir uns an den Abstieg gemacht, diesmal auf der einfacheren Seite; trotzdem konnte Paulina (eine indonesische Kommilitonin) ziemlich rasch nicht mehr, was dem Rest von uns eine gute Ausrede gegeben hat, im Schneckentempo nach unten zu machen.


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Weil wir schon mal im Süden der Anhui-Provinz und damit circa fünf Stunden von Hefei weg waren, haben wir noch ein anderes Ziel angesteuert: Yuliang, ein historischer Teil eines etwas größeren Dorfs, die viel von der alten „Huizhou“-Architektur zeigt. Das waren vor allem hohe Häuser, deren Erdgeschoss weiß verkalkt ist, während die Geschosse darüber meist aus Holz und naturbelassen sind, während das Dach zurückhaltende, aus Stein gemeißelte Verzierungen zeigt. Wir haben uns hier erstmal vom Huangshan in einer guten, günstigen Unterkunft mit heißem fließenden Wasser (yeah!) erholt und das noch einigermaßen erhalten gebliebene Leben in den kleinen Gassen erkundet.


Noch etwas interessanter war ein anderes Dorf – Chengkun – in das wir im Tag darauf gegangen sind. Das Dorf wurde in der Mingdynaste (also etwa ab 1400, genau hab ich das nicht im Kopf) angelegt und ist in einer Hektagrammform um einen Flusslauf, der den Mittelteil eines Yinyangsymbols darstellt, gruppiert. Das Hektagramm ist deshalb wichtig, weil das chinesische Wort für acht - 八(ba) – ähnlich wie „reich werden“ ausgesprochen wird.

Besonders .. merkwürdig? Bescheuert? Beachtenswert? an dem ganzen war, dass das Regenwasser, das in den Innenhof jedes einzelnen Hauses läuft, durch Kanäle in einen gemeinsamen Teich am Eingang des Dorfes geleitet wird. Der Guide, den wir dort angeheuert haben, erklärte uns, dass das Wasser den Reichtum des Dorfes verkörpern soll, von dem natürlich ja nichts verloren gehen darf.



Montag, 12. Oktober 2009

Shanghai

Shanghai. Oder "Sanghai", wenn man es wie die locals ausspricht und das H weglässt. Sollten dafür dann nicht neue Silben dazukommen? Chinesisch ist so und so eine silbenarme Sprache, man sollte meinen, auf die verbliebenen wird ein wenig aufgepasst.. Naja. Den Shanghaiern schadet es vielleicht nicht, Shnghai ist die am weitesten entwickelte Stadt in China (höchstens in Konkurrenz mit Guangzhou) und das Zentrum der internationalen Investitionen ins Reich der Mitte..

Ich hab hier meinen Kommilitonen Jan, der den Nachnamen mit mir teilt (weshalb es in einigen Seminaren schonmal zu Verwirrung kam), besucht und drei schöne Tage ausserhalb von Hefei verbracht. Es ist zwar nicht die feine englische Art, andauernd über dies und jenes abzulästern, aber es war schon etwas deprimierend nach Hefei zurückzukommen. Allein schon, dass nicht annöhernd so viel auf die Straße gerotzt wurde wie in Hefei war mir sehr willkommen! Folgend ein paar Fotos:



Blick aus dem Apartment von Jan - das kommt auf dem Foto leider nicht so gut rüber, der Ausblick war echt unglaublich, vor allem am Morgen, als man lauter Chinesen auf den Straßen rumwuseln sah.




Die Häuser sind zwar größer und schicker als in Hefei, aber dafür gibts auch mehr Stau ;)




An aufsehenserregenden Konstruktionen gibt es in Shanghai allerdings so einiges. Vom Oriental Pearl Tower zum World "Flaschenöffner" Financial Center, wobei Beijing dagegen natürlich mit dem CCTV Building und dem Aquatics Center (das Vogelnest lasse ich aus Gründen des guten Geschmacks aussen vor) punkten kann. Der Wolkenkratzer hier mit der verbreiterten Spitze hat auf jeden Fall das spezielle etwas (und erinnert an den Turm des Arkanen in Luskan, ähem!)



Kunst oder Touristenfalle? In einem großen Art Center im Süden von Shanghai gabs jede Menge Fotografie, Malerei, Porzellan uvm zu sehen. Allerdings glichen sich die Ausstellungsstücke zwischen den verschiedenen Läden stark, um es mal vorsichtig zu formulieren, und der Scherz mit "Kommunistische Propagandha durch Weltmarken entfremden" wurde etwas überstrapaziert, als nach Coca Cola noch Hugo Boss, Mercedes, Nokia etc folgten.



Die besten Yuxiang-Qiezi (Fischgeruch-Auberginen) so far! In Hefei bekommen sies einfach nicht hin... :(


Ja well, ein unbekannter, respektloser Ausländer (wahlweise Yangguizi, "Ozeanteufel", oder Gaobi, "Langnase", bitte!) neben einem Buddha auf der Nanjinglu, Shnghais Flaniermeile. Ich konnte mir hier endlich Schuhe kaufen, als es in Hefei merkwürdigerweise keine in Größe 46 gab. Mmh..


Mit Grüßen an Herrn Bozdag!

Donnerstag, 24. September 2009

Hanzi

An der Anhui University wird neben dem normalen Chinesisch-Unterricht auch ein Kultur-Unterricht angeboten, wo man allerlei interessantes über die chinesische Kultur (auf Chinesisch) erzählt bekommt. Davon hat man als integrer Ostasienwissenschaftler zwar vieles schon einmal vernommen, aber das macht ja nichts. Ein gutes Thema waren etwa die chinesischen Schriftzeichen. Ich werde hier mal ein paar Sätze dazu schreiben.

Der ursprünglichen chinesischen Zeichen sind Piktogramme (chin. Xiangxing/象形), die wohl aus Höhlen- und Wandmalereien entstanden sind. Zu Sprachsymbolen wurden die, als die ersten Könige des Antiken China in der Shangdynastie ihre Hohepriester Wahrsage-Rituale ausführen liessen, meist mit Knochen. Z.B. wurden Knochen angekokelt, und aus den Formen des Russes sollte dann erkannt werden, ob die Ernte gut oder schlecht wird, oder es wurden Risse in Schildkrötenpanzern untersucht, und so weiter und so fort.
Die vielen Knochen mussten natürlich irgendwo gelagert werden. Zur besseren Archivierung wurden in die Knochen Symbole eingeschnitzt, die die Vorhersage festhielten. ("Morgen Sonne", "Krieg siegreich"..)
Die einfachsten chinesischen Zeichen – vor allem für Objekte - entsprechen immer noch einfachen Zeichnungen. Ganz gut kann man das beispielsweise am Fisch, „Yu“, sehen:

Ja, die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend. Man muss aber immerhin anrechnen, dass seitdem 3500 Jahre vergangen sind – klar, dass die Zeichen sich von den eigentlichen Bildern abstrahiert haben.

Eine funktionierende Sprache (obwohl ich Chinesisch dieses Attribut gerne abspreche ;)) hat natürlich nicht nur Wörter, die sich "zeichnen" lassen. Deshalb existieren drei weitere Möglichkeiten, mit denen neue Zeichen gebildet wurden:

1.Kombination (chin. huiyi/会意):
Zwei Piktogramme werden zu einem eigenständigen Zeichen kombiniert, sodass sie gemeinsam eine neue Bedeutung ergeben. Manchmal funktioniert das, oft aber auch eher .. nicht, so dass sich die Bedeutung überhaupt nicht oder nur bei intensivem um-die-Ecke-denken ergibt. Meist muss man die Zeichen stur auswenig lernen (mir geht es meist so, dass ich keinerlei Ahnung davon hab, wie sich die Bedeutung aus den einzelnen Komponenten ergeben soll, und einfach die letztliche bedeutung und Aussprache lerne).
Ein gutes Beispiel für Kombinations-Schriftzeichen ist, „Cai“, pflücken, das aus den Piktogrammen für Hand und Baum besteht:

2.Symbol (chin. zhishi/指事)
Eigentlich so ähnlich wie die eigentlichen Piktogramme, entstehen aber nicht aus Zeichnungen von Objekten sondern durch Darstellung abstrakter Zustände – eins der einfachsten Beispiele:

3.Lautzeichen (chin. xingsheng/形声)
Eine einfache Methode, ein Zeichen für ein bestimmtes chinesisches Wort zu erdenken, bestand darin, erstmal darauf zu achten wie es ausgesprochen wird. Gibt es ein anderes Zeichen, das ähnlich ausgesprochen wird, dann kann man es übernehmen und eine Komponente davor/dahinter setzen, die erklärt dass es sich um eine andere Bedeutung handelt.
Das Zeichen „Ren“, kennen, benutzt das Piktogramm „Ren“ für Mensch, weil es fast gleich ausgesprochen wird (ersteres im vierten Ton, letzteres im zweiten Ton). Um kenntlich zu machen, dass es sich um ein anderes Zeichen handelt, wird eine stark vereinfachte Form des Zeichens für Wort/Wörter davor gemalt:

Und damit fängt die ganze Verwirrung an. Ihr könnt ja mal beim nächsten Besuch des Chinamanns eurer Wahl raten, was was ist ;-).
Zeichen der Kategorien 1. und 3. gibt es klar am meisten. Oft kann man sich ganz gute Eselsbrücken bauen – am Ende ist es aber immer auswendig lernen!

Nebenbei, eine fantastische Seite, auf die ich grad aufmerksam wurde: http://sillybongs.tumblr.com/

Samstag, 19. September 2009

Hefei

Ich bin seit zwei Wochen in Hefei - man kann also annehmen, dass es an der Zeit ist, ein paar Worte über diesen Ort zu verlieren. Nur: Wo anfangen? Es ist einfach so: Hefei ist nicht besonders. Ich nehme mir mal die Freiheit, den Lonely Planet zu zitieren:

"The provincial capital, Hefei is a pleasant and friendly city with lively markets, attractive lakes and parks but few scenic attractions."

Vielleicht kann mit dem Zitat eines Gesprächs von zwei Kommilitonen die hiesige Atmosphäre klar machen:

Alex: "You know, Hefei is a city of peasants. Twenty years ago, the people here were peasants, and they still are."
Marko: "Yes, they are peasants who think that theyre better than peasants."


Vom dem zur Schau gestelltem abfälligen Charakter gegenüber den Trägern der chinesischen Revolution (deren 60. Geburtstag bald naht) mal abgesehen - Hefei hat wirklich wenig, was einen eigenen Charakter ausmacht. Geschichte? Alte Architektur oder Museen sucht man hier vergebens. Also, das genaue Gegenteil von Beijing. Jedenfalls soweit wie ich nach zwei Wochen hier zu urteilen in der Lage bin. ;-)

Das heisst nicht, dass es mir hier nicht gefällt. Das Leben an der Uni ist entspannt und zum Chinesisch-lernen wirklich gut. An allen Seiten von der Uni gibt es kleine Restaurants, bei denen man sich für wenig Geld den Bauch vollschlagen kann - die Besonderheit der Anhui-Küche liegt anch bisherigen Erfahrungen vor allem in viel, viel Öl und jeder Menge frischem Gemüse. Ich freue mich jedesmal wenn andere Fleischgerichte bestellen und auf einem Berg von gebratenem Gemüse spärliche fünf Fleischstreifen bekommen! :D Um das Nachtleben ist es hier natürlich nicht besonders gut bestellt: Es gibt eine okaye Bar, die Revolutionary (革命者) und ein paar Diskotheken, deren Besuch sich angeblich nicht wirklich lohnt.
Ein absolutes Highlight ist "Golden Hans" (auf chinesisch Jin Hanqi/金汉期), ein auf deutsch gemachtes Restaurant. Das Essen soll schrecklich schmecken, aber man kann für 12 Yuan/1,20€ einen Pitcher frisch gebrautes Bier bestellen - ein Segen! Das bekannte Qingdao-Bier ist zwar ok, auf die dauer aber doch nicht das wahre. Der Golden Hans ist also zumindest für ein leckeres Bierchen vor den reichlichen Partys im Ausländerwohnheim das absolute centre of attention an Wochenenden ;).

Wir China-interessierte Studenten versuchen natürlich (!) auch, möglichst viel von dieser wunderschönen Stadt zu sehen. Ein Ausflug zum Berg im Westen von Hefei am Montag hat eine nette Kletterpartie geboten - und auch das Ausblick am Ende war umwerfend, wie man über die Schulter von Alex sehen kann! Im unendlichen Kreislauf der allumfassenden Natur umspielen sanfte Nebelschwaden die karstigen Gipfel des Gebirges - mit anderen Worten, in fünfzig Meter Entfernung war nichts zu sehen. Hoffentlich wird das beim anvisierten Besuch des Huangshan (gelber Berg) anders!



Gestern, also am Freitag, haben wir uns in den tiefen Osten Hefeis, genannt "Feidong" (Hefei de Dongbian) getraut, das industrielle und etwas zurückgebliebene Stück der Stadt. Immerhin, inzwischen gibt es asphaltierte Strassen - wir gemeinen Elendstouristen konnten uns aber trotzdem an Straßenshop-Zahnarztpraxen, auf der Straße gestapelten Schweinefüssen und einem wirklich unverständlichem Akzent ("Pijiu" (=Bier) wird hier "Psijiu" ausgesprochen) erfreuen.

Bei der nächsten humangeographischen Exkursion in Hefei werde ich natürlich ein Update bieten!

Sonntag, 30. August 2009

Erawan Nationalpark

Mit meiner Thailandroute bin ich schon fast durch, morgen gehts zurueck nach Bangkok. Ich bin gestern in Kanchanaburi angekommen, eine Stadt im Westen von Bangkok in einer noch nicht weit entwickelten und (teils) noch naturbelassenen Provinz.

Da ich hier erstmal niemanden kannte, hab ich einen Ausflug mit einer Gruppe in ein Naturschutzgebiet in der Umgebung gebucht, den Erawan National Park. Erawan ist der Name des Hindugottes mit drei Elefantenkoepfen: der Park hat den Namen, weil es hier einen dreigeteilten Wasserfall gibt. Oder geben koennte - unsere Fuehrerin meinte, dass es noch nicht genug geregnet habe. Heute habe ich (erst als wir gerade wieder aus dem Park raus waren) zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ordentlichen Regen erlebt. Entweder ich taeusche mich, oder ich hatte den letzten tatsaelich in Prachuap Kiri Khan mitbekommen - das war vor mehr als einer Woche! Wie schon mal geschrieben, in der Region hier (westlich und suedlichvon Bangkok, oestlich von Myanmar) ist die Regenzeit nicht besonders schlimm. Wind und Wolken kommen momentan wohl von Westen und regnen sich schon an der Myanmar'schen Kueste ab.

Der trockene Elefantenkopf-Wasserfall:


Jedenfalls, im Park findet man einen wunderbaren Tropenwald um eine Bergkette herum, in dem der vom Berg kommende Flusslauf jede Menge Wasserfaelle und Pools bildet, die von fetten (und geschuetzten) Fischen bevoelkert sind. Wir sind bis nach oben gekraxelt - gleucklicherweise konnte man sich den Schweiss immer wieder in den Bachlaeufen vom Koerper schwimmen.




Die Fische waren einerseits ganz possierlich, haben aber mit Vorliebe an den Wunden an meinem rechten Bein (die ich mir an einem heissen Mopedauspuff zugezogen habe) geknabbert, was ich etwas krank fand. Fuer die Sicht der Fische habe ich natuerlich vollstes Verstaendnis ;-), aber, hey, wenn das jeder machen wuerde! Ich musste also immer mit den Beinen wedeln, damit die Biester sich nicht an mein knuspriges Fleisch wagen konnten.


Neben dem Pfad am Flusslauf entlang gab es noch einen Bambuswald am Fuss des Berges - ich glaube, ich habe vorher noch nie einen gesehen, also in China. Schande ueber mein Haupt!, aber das habe ich heute dann ja nachgeholt..

In Kanchanaburi befindet sich uebrigens die bekannte "Bruecke ueber den Kwai". Wie im Film liessen die Japaner tatsaechlich unzaehlige Kriegsgefangene und asiatische Zivilisten unter haertesten Bedingungen eine Zugstrecke von Thailand nach Burma inklusive einer Bruecke ueber den besagten Fluss bauen . Das Ergebnis: Eine heute florierende Tourismusindustrie entlang des so genannten "Death Railway", unzaehlige Restaurants mit dem Namen "River Kwai" etc. und ein fantastisches Weltkriegsmuseaum in Kanchanaburi, in dem neben original japanischen Armeejeeps, Knarren, nachgestellten Szenen des Brueckenbaus und einer "Miss Thailand"-Fotogalerie auch Statuen von Churchill, Truman, Hitler, Einstein und anderen Knaben zu sehen sind. Sehr interessant fand ich den Schluss der Hitler-Biographie neben seiner Statue:

"As for Hitler, the news reports said that he commited suicide before he was captured, and other news reports said that hand grenades were thrown at him in a Berlin conference. But whether Hitler has really disappeared from this world or not, up to no one knows nor has found his body."[sic]