Donnerstag, 24. September 2009

Hanzi

An der Anhui University wird neben dem normalen Chinesisch-Unterricht auch ein Kultur-Unterricht angeboten, wo man allerlei interessantes über die chinesische Kultur (auf Chinesisch) erzählt bekommt. Davon hat man als integrer Ostasienwissenschaftler zwar vieles schon einmal vernommen, aber das macht ja nichts. Ein gutes Thema waren etwa die chinesischen Schriftzeichen. Ich werde hier mal ein paar Sätze dazu schreiben.

Der ursprünglichen chinesischen Zeichen sind Piktogramme (chin. Xiangxing/象形), die wohl aus Höhlen- und Wandmalereien entstanden sind. Zu Sprachsymbolen wurden die, als die ersten Könige des Antiken China in der Shangdynastie ihre Hohepriester Wahrsage-Rituale ausführen liessen, meist mit Knochen. Z.B. wurden Knochen angekokelt, und aus den Formen des Russes sollte dann erkannt werden, ob die Ernte gut oder schlecht wird, oder es wurden Risse in Schildkrötenpanzern untersucht, und so weiter und so fort.
Die vielen Knochen mussten natürlich irgendwo gelagert werden. Zur besseren Archivierung wurden in die Knochen Symbole eingeschnitzt, die die Vorhersage festhielten. ("Morgen Sonne", "Krieg siegreich"..)
Die einfachsten chinesischen Zeichen – vor allem für Objekte - entsprechen immer noch einfachen Zeichnungen. Ganz gut kann man das beispielsweise am Fisch, „Yu“, sehen:

Ja, die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend. Man muss aber immerhin anrechnen, dass seitdem 3500 Jahre vergangen sind – klar, dass die Zeichen sich von den eigentlichen Bildern abstrahiert haben.

Eine funktionierende Sprache (obwohl ich Chinesisch dieses Attribut gerne abspreche ;)) hat natürlich nicht nur Wörter, die sich "zeichnen" lassen. Deshalb existieren drei weitere Möglichkeiten, mit denen neue Zeichen gebildet wurden:

1.Kombination (chin. huiyi/会意):
Zwei Piktogramme werden zu einem eigenständigen Zeichen kombiniert, sodass sie gemeinsam eine neue Bedeutung ergeben. Manchmal funktioniert das, oft aber auch eher .. nicht, so dass sich die Bedeutung überhaupt nicht oder nur bei intensivem um-die-Ecke-denken ergibt. Meist muss man die Zeichen stur auswenig lernen (mir geht es meist so, dass ich keinerlei Ahnung davon hab, wie sich die Bedeutung aus den einzelnen Komponenten ergeben soll, und einfach die letztliche bedeutung und Aussprache lerne).
Ein gutes Beispiel für Kombinations-Schriftzeichen ist, „Cai“, pflücken, das aus den Piktogrammen für Hand und Baum besteht:

2.Symbol (chin. zhishi/指事)
Eigentlich so ähnlich wie die eigentlichen Piktogramme, entstehen aber nicht aus Zeichnungen von Objekten sondern durch Darstellung abstrakter Zustände – eins der einfachsten Beispiele:

3.Lautzeichen (chin. xingsheng/形声)
Eine einfache Methode, ein Zeichen für ein bestimmtes chinesisches Wort zu erdenken, bestand darin, erstmal darauf zu achten wie es ausgesprochen wird. Gibt es ein anderes Zeichen, das ähnlich ausgesprochen wird, dann kann man es übernehmen und eine Komponente davor/dahinter setzen, die erklärt dass es sich um eine andere Bedeutung handelt.
Das Zeichen „Ren“, kennen, benutzt das Piktogramm „Ren“ für Mensch, weil es fast gleich ausgesprochen wird (ersteres im vierten Ton, letzteres im zweiten Ton). Um kenntlich zu machen, dass es sich um ein anderes Zeichen handelt, wird eine stark vereinfachte Form des Zeichens für Wort/Wörter davor gemalt:

Und damit fängt die ganze Verwirrung an. Ihr könnt ja mal beim nächsten Besuch des Chinamanns eurer Wahl raten, was was ist ;-).
Zeichen der Kategorien 1. und 3. gibt es klar am meisten. Oft kann man sich ganz gute Eselsbrücken bauen – am Ende ist es aber immer auswendig lernen!

Nebenbei, eine fantastische Seite, auf die ich grad aufmerksam wurde: http://sillybongs.tumblr.com/

Samstag, 19. September 2009

Hefei

Ich bin seit zwei Wochen in Hefei - man kann also annehmen, dass es an der Zeit ist, ein paar Worte über diesen Ort zu verlieren. Nur: Wo anfangen? Es ist einfach so: Hefei ist nicht besonders. Ich nehme mir mal die Freiheit, den Lonely Planet zu zitieren:

"The provincial capital, Hefei is a pleasant and friendly city with lively markets, attractive lakes and parks but few scenic attractions."

Vielleicht kann mit dem Zitat eines Gesprächs von zwei Kommilitonen die hiesige Atmosphäre klar machen:

Alex: "You know, Hefei is a city of peasants. Twenty years ago, the people here were peasants, and they still are."
Marko: "Yes, they are peasants who think that theyre better than peasants."


Vom dem zur Schau gestelltem abfälligen Charakter gegenüber den Trägern der chinesischen Revolution (deren 60. Geburtstag bald naht) mal abgesehen - Hefei hat wirklich wenig, was einen eigenen Charakter ausmacht. Geschichte? Alte Architektur oder Museen sucht man hier vergebens. Also, das genaue Gegenteil von Beijing. Jedenfalls soweit wie ich nach zwei Wochen hier zu urteilen in der Lage bin. ;-)

Das heisst nicht, dass es mir hier nicht gefällt. Das Leben an der Uni ist entspannt und zum Chinesisch-lernen wirklich gut. An allen Seiten von der Uni gibt es kleine Restaurants, bei denen man sich für wenig Geld den Bauch vollschlagen kann - die Besonderheit der Anhui-Küche liegt anch bisherigen Erfahrungen vor allem in viel, viel Öl und jeder Menge frischem Gemüse. Ich freue mich jedesmal wenn andere Fleischgerichte bestellen und auf einem Berg von gebratenem Gemüse spärliche fünf Fleischstreifen bekommen! :D Um das Nachtleben ist es hier natürlich nicht besonders gut bestellt: Es gibt eine okaye Bar, die Revolutionary (革命者) und ein paar Diskotheken, deren Besuch sich angeblich nicht wirklich lohnt.
Ein absolutes Highlight ist "Golden Hans" (auf chinesisch Jin Hanqi/金汉期), ein auf deutsch gemachtes Restaurant. Das Essen soll schrecklich schmecken, aber man kann für 12 Yuan/1,20€ einen Pitcher frisch gebrautes Bier bestellen - ein Segen! Das bekannte Qingdao-Bier ist zwar ok, auf die dauer aber doch nicht das wahre. Der Golden Hans ist also zumindest für ein leckeres Bierchen vor den reichlichen Partys im Ausländerwohnheim das absolute centre of attention an Wochenenden ;).

Wir China-interessierte Studenten versuchen natürlich (!) auch, möglichst viel von dieser wunderschönen Stadt zu sehen. Ein Ausflug zum Berg im Westen von Hefei am Montag hat eine nette Kletterpartie geboten - und auch das Ausblick am Ende war umwerfend, wie man über die Schulter von Alex sehen kann! Im unendlichen Kreislauf der allumfassenden Natur umspielen sanfte Nebelschwaden die karstigen Gipfel des Gebirges - mit anderen Worten, in fünfzig Meter Entfernung war nichts zu sehen. Hoffentlich wird das beim anvisierten Besuch des Huangshan (gelber Berg) anders!



Gestern, also am Freitag, haben wir uns in den tiefen Osten Hefeis, genannt "Feidong" (Hefei de Dongbian) getraut, das industrielle und etwas zurückgebliebene Stück der Stadt. Immerhin, inzwischen gibt es asphaltierte Strassen - wir gemeinen Elendstouristen konnten uns aber trotzdem an Straßenshop-Zahnarztpraxen, auf der Straße gestapelten Schweinefüssen und einem wirklich unverständlichem Akzent ("Pijiu" (=Bier) wird hier "Psijiu" ausgesprochen) erfreuen.

Bei der nächsten humangeographischen Exkursion in Hefei werde ich natürlich ein Update bieten!